Dr. Schweder

Osterholzer Kreisblatt 4. August 1951

Erlesene Stücke edler Keramik.

    Die Kunst-Krypta am Bremer Wall - Meisterkeramiken, neue Brennmethoden

Wenn nicht der Schaukasten auf der Laufseite des Straßenzuges am Wall, der da einsam am Rand eines Trümmergrundstücks steht, darauf hinwiese, würde die Masse der Auswärtigen, die zum Einkaufen vorübergehen, gar nichts von der "Kunst-Krypta" ahnen. Nur der langsam wachsende Kreis von Bremern, die bedächtig in den traulichen unterirdischen Räumen kleine Kostbarkeiten unter den Werken edler handwerklicher Keramik aussuchen, weiß, was da zu finden ist.

Einst, als das Theater am Wall noch allabendlich seine Besucher für ein Weilchen Krieg und Sorgen vergessen ließ, war es der "Theaterbunker". Und wenn die Sirenen aus der schönen Welt des Scheins in die rauhe Wirklichkeit des Bombenkrieges zurückriefen, drängten sich hier elegante Abendkleider und dunkle Anzüge, während das Wummern der Flak und die krachenden Einschläge der Bomben dumpf herunterklangen. Als dann das Theater im Flammenmeer untergegangen war, stürzten nur noch vereinzelte Menschen die engen Treppen herunter, wenn sie der Alarm überraschte. Und dann brachen der Friede und das Elend der Nachkriegsjahre an. Während aber überall in den leeren Schaufenstern sich die dürftigen "kunstgewerblichen" Erzeugnisse hungernder entwurzelter Existenzen ausbreiteten, entstand hier in aller Stille ein Asyl, in dem edles Töpferhandwerk eine Stätte fand.

Das Wort "Kunstgewerbe" hat nicht erst in den Nachkriegsjahren einen schlechten Ruf bekommen. Was wir an edlen schwarz- und rotfigurigen Vasen und Schalen der Antike bewundern, was wir an wundervollen Schöpfungen mittelalterlichen Handwerks kennen, wollte nichts anderes sein als "Hand-Werk" und pries in seiner schlichten Schönheit Können und Stilempfinden feinsinniger Meisterhände. [...]

Da stand also der verlassene, zu nichts nutze Bunker, auf den Tag der Sprengung wartend, einzig von einem Dickicht Besatzungs- und baubehördlicher Vorschriften eingezäunt. Und da beginnt ein junger Mann, der schöne Vasen und Schalen verkaufen will, mit einem kleinen Meißel und Hammer Löcher in die Wände der beiden Bunkerräume zu hämmern, die ihm vermietet sind. Schließlich kann er sich fachmännische Hilfe leisten, und zum Goldenen Sonntag 1949 öffnet er zwei anheimelnde Räume, halb Krypta, halb Katakombe, mit Spitzbogen-Durchbrüchen, Nischen Gesimsen, geschickt angelegtem indirektem Licht.

Langsam kommt Raum auf Raum hinzu, und heute liegt da unter der Erde das kleine Labyrinth mit verständnisvoll aufgestellten Vasen, Schalen und Plastiken, zu denen die Kenner kommen.

Man denkt nicht mehr an den Bombenschutz-Bunker, wenn man da unten steht. Aber etwas von der Geborgenheit, von dem Gefühl, ganz allein mit dem schönen Stück zu sein, das da vor einem steht, oder das man in der Hand hält, ist geblieben. Wenn nur noch das Licht brennt, das ein paar schwere, urtümliche Krüge in engen Nischen von der Seite her beleuchtet, wenn die Nebenräume, in die man durch die Spitzbogen-Durchbrüche sehen kann, im Halbdunkel verschwinden, wenn das Wollgras und die Lärchenzweige in den Vasen nur noch fahl leuchten, ist hier der ideale Ort, wo man bis spät in die Nacht hinein von kaum faßbaren Dingen sprechen und alte Lieder singen kann. Es ist auch derartiges geplant.

Zuerst mögen die Leute in die Krypta hinabgestiegen sein, die der Klang berühmter Namen auf dem Gebiet der Keramik angezogen hat: Hier wird alles geboten, was Auguste Papendieck hinterlassen hat. Otto Meier - Worpswede und Clairy von Ruckteschell - Dachau haben hier viele Stücke stehen. Und die unglasierten Krüge und Flaschen, die Nanette Lehmann - Hamburg schuf, als ob sie aus alten etruskischen oder vorhellenischen Gräbern stammten, stehen hier überall auf Borten und Gesimsen. Das faszinierendste aber sind die Arbeiten der aufsteigenden Werkstatt Hohlt aus Katzbach bei Wasserburg am Inn.

Es ist gewiß nicht alles vollendet, was da steht. Zuweilen ist über der wundervollen Form das Handwerksgerechte in der Ausführung ein bißchen zu kurz gekommen, manchmal hat man über einer vollendeten Glasur die Form ein wenig vernachlässigt. Aber das vergißt man wieder über den vielen erlesenen Stücken, die man hier so reichlich trifft wie nirgends sonst. Und das Schönste ist eben, das all die Schätze von einem Mann gehütet werden, der seine Aufgabe darin sieht, nicht nur immer wieder die bloß raffinierten Sachen durch Stücke von innerer Qualität zu ersetzen, sondern auch seine Besucher unmerklich zu dem Wertvollen zu führen, auch wenn er an anderen Stücken mehr verdienen würde. Er ist vernarrt in die gute Keramik, und ganz hinten in dem kostbaren Labyrinth liegt sein kleines Allerheiligstes:

Eine kleine Sammlung erlesener Stücke moderner Töpferkunst, ein paar seltene Ergebnisse besonderer Glasurexperimente im Brennofen darunter, wo oft eine Differenz von nur drei Grad in der Hitzeentwicklung eine neue Farbnuance oder eine ganz andere Farbe hervorbringt. Er zeigt diesen kleinen Schatz denen, die Interesse dafür vermuten lassen und dann um manche Erkenntnis über hohe keramische Leistung reicher wieder ans Tageslicht steigen. Diese Sammlung ist nicht verkäuflich.

Einen besonderen Platz unter den ausgewählten Stücken nimmt die Keramik der Hohltschen Werkstatt ein, wo mit einer geradezu fanatischen Freude am Schaffen neuer eigenwilliger Keramiken gearbeitet wird. Neuartig nicht in den Formen, wo Vasen und Krüge mit überkommener Linienführung gewählt werden, aber geradezu besessen von dem Streben, schlichte Farb- und Glanzmotive der Natur selbst aus dem Brennofen zu zaubern. Katzbach liegt am Vogelparadies des Inn. Und zu den einheimischen Arten treten all die unzähligen anderen, die auf dem Zug über die Alpen innaufwärts fliegen und im Raum von Wasserburg, bei Katzbach, rasten. Und die Hohlts sind Vogelnarren, wie sie vernarrt sind in ihre keramischen Ziele.

Und so stehen nun in der Kunst-Krypta dünnwandige Schalen, die volltönend klingen, wenn man an ihre Wandung pocht, in Farben wie ein schönes Vogelei im Moor oder ein uralt verwitterter Stein auf dem Bachgrund oder ein Stück Perlmutt, das lange in Sonne und Regen gelegen hat an der See.

Und bei anderen Versuchen sind sie nahe an das berühmte "Sang de boeuf", das Rot der großen Zeit chinesischer Keramik, herangekommen, näher als ihm Auguste Papendieck, die auch danach strebte, je gekommen ist.

Bald wird vielleicht auch der starre Bunkereingang einem sanft geschwungenen Treppenrund weichen, das harmonisch in die Wallanlagen eingefügt, aus dem blühenden Grün der Oberwelt hinabführt zu den matt schimmernden Schätzen der Krypta.

Dr. Schweder

Gekürzter Artikel aus dem "Osterholzer Kreisblatt", Osterholz-Scharmbeck, vom 4. August 1951 Mit freundlicher Genehmigung der Zeitung.


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